ROLEPLAY


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#16 [de] 

Wie Donnerhall durchbrach ein Krachen die Stille, als Menthys in die Bibliothek der Akademie von Yrkanis stolperte und die seinen Händen entglittene Mappe offen auf den hölzernen Boden stürzte. Blätter stoben auf wie ein verschreckter Vogelschwarm und sanken langsam wieder herab, sich dabei weit über den Boden verteilend. Salazar Caradini warf Menthys einen tadelnden Blick zu. Der junge Matis errötete, sank auf die Knie und begann hastig, die Blätter wieder aufzusammeln.

„Die Mitschrift der öffentlichen Adelsversammlung, nehme ich an? Gut. Ich habe den größten Teil der Sitzung verpasst und würde doch gerne wissen, was genau mir entgangen ist. Gemäß Filira di Avarrons Protokoll haben sich die Adelshäuser Matias vorgestellt – wobei mindestens eine der Gilden auf der Sitzung erst den Status erhalten hat. Sie führt auch unseren Orden als anwesendes Adelshaus auf, was mich nicht wenig verwirrt. Wir haben diesen Status verloren, als die Führung des Ordens auszog, und ich habe die Bitte um Vorstellung so verstanden, als sollte ich mich selbst den Anwesenden bekannt machen. Über den Orden habe ich daher kaum ein Wort verloren. Wie Du weißt, wurde ich als Berater in den Rat berufen und später von Seiner Majestät, Karan Yrkanis, in den Adelsstand erhoben – ebenso wie Filira Nendra Malakaii und Filira Lylanea Cicciona für ihre persönlichen Leistungen den Adelstitel erhielten. Ich frage mich, ob Nendra sich auch vorgestellt hat ... Filira di Avarrons Protokoll gibt darüber keinen Aufschluß. Andererseits hat die gute Nendra, Jena schütze sie, keine Leidenschaft für Politik.“

Salazar krakelte mit seiner Feder etwas auf die Seiten, die vor ihm auf dem enormen Bibliothekstisch lagen. Der junge Matis trat heran und versuchte, einen Blick auf das zu erhaschen, was Salazar da energisch kritzelte.

„Nur eine kleine Korrektur.“ Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht des Filira. „Das Haus Auxilium hat die verstörende Angewohnheit, meinen Namen falsch zu schreiben.“ Er sah aus den Augenwinkeln dabei zu, wie Menthys die Mappe mit den aufgesammelten Blättern vorsichtig ablegte. „Du hast die Seiten natürlich wieder sortiert, hoffe ich.“

„Was genau hofft Ihr aus den Protokollen zu erfahren, valyena?“ Menthys versuchte, möglichst beiläufig zu klingen, während er – erneut errötend – nach der Mappe griff. Salazar lächelte, aber da er den Kopf gesenkt hielt, konnte Menthys, der schwitzend Ordnung in die Abschrift brachte, nichts davon sehen.

„Ich hoffe, möglichst viel über die Mitglieder des Rates zu erfahren. Sieh, wenn sie sich alle vorgestellt haben – wenn sie sich alle so vorgestellt haben wie jene, die nach mir sprachen – dann wird es mir helfen, sie einzuschätzen; sowohl anhand dessen, was sie sagen, als auch in dem, wie sie es sagen. Tatsächlich kann man oft aus dem Zweiten mehr lernen als aus dem Ersten. Man erfährt etwas über ihre Stärken und ihre Schwächen, über ihren Stolz, ihren Ehrgeiz, ihre Ambitionen, ihre Eitelkeit oder ihre Bescheidenheit. Nützliche Nichtigkeiten und gewichtige Tatsachen über die Gilden, Orden und Häuser und den Charakter derer, die sie repräsentieren.“

Menthys blickte den Filira verwirrt an. „Was habt Ihr davon, valyena? Es sind doch die Vertreter unseres eigenen Landes, Repräsentanten des Karan und Diener Jenas. Reicht es nicht, das zu wissen?“

Salazar lachte, ein so unbekümmert offenes Lachen wie Menthys es seit der Zeit vor dem zweiten Schwarm selten gehört hatte.

„Du bist ein Tor,“ meinte er dann schmunzelnd, und Menthys errötete zum dritten Mal. „In der Politik ist nichts so wichtig, als all die genau zu kennen, die das große Spiel mitspielen. Politik, wenn es eine erfolgreiche, beständige, fruchtbare Politik sein soll, kennt keine Freunde und keine Feinde. Jeder Spieler – unabhängig davon, ob das Ziel das gleiche ist – hat ein eigenes Blatt auf der Hand, eine eigene Idee, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Das genau ist der Punkt, an dem Diplomatie einsetzt. Sie ist abhängig davon, das man sein Gegenüber richtig einschätzt. Wenn Politiker glückliche Familien bilden, wenn ihre Handlungen davon abhängig werden, was ihr bester Freund meint, der zufälligerweise auch dort oben sitzt, dann verfilzt Politik und wird der Nährboden für Korruption und Seilschaften. Dann dient man seinem eigenen Erfolg und persönlichen Streben mehr als den Interessen und dem Erfolg des Reiches. Letzteres aber ist unser höchstes Gebot – dem Reich zu dienen, Schaden von ihm abzuwenden und den Glauben zu wahren.“

„Beschützer des Reichs, Bewahrer des Glaubens,“ murmelte Menthys.

Salazar nickte. „Prinzipien auch unseres Ordens, ganz recht.


(Fortsetzung folgt)

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Salazar Caradini
Filira Matia
Royal Historian
Member of the Royal Academy of Yrkanis
First Seraph of the Order of the Argo Navis
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