ROLEPLAY


Ein Augenblick

January 16th, 2009, 01:18 AM


Eliza hätte fast ihre Verabredung verpaßt. Als sie eilig zu ihrer Wohnung lief, wartete Zeron schon auf sie. Abgehetzt zog sie sich um. Seit einer Ewigkeit hatte sie dieses Kleid nicht mehr getragen ... weiss. Aber es war dem Anlass angemessen. Und schon waren sie unterwegs zum Turmbrückenweg, zum Treffen der Barden, auf das sie sich seit langem gefreut hatte.

Sie waren natürlich etwas zu spät, aber sie hatten nur den Anfang von Wasaris Geschichte verpaßt. Diese war, wie alle Geschichten von Wasari wundervoll. Die Zeit verging so schnell, dass sie erstaunt war, als Lylanea sie fragte, ob sie auch etwas zu erzählen hätte. Sie wartete, bis die Homins ruhig waren und fing an an zu erzählen und die Geschichte konnte von ihren Lippen, von ihrem Gesicht und von ihren Händen gelesen werden. Die Geschichte von den Schneegeistern:

"Ich hörte unlängst im Winter eine Geschichte, die mir ein Homin erzählte, der sie von einem Homin wußte, welcher diese von wiederum einem anderen ...






Ein Mektoub trabte langsam den Weg entlang. Auf ihm saß zusammengesunken ein Homin, dick eingepackt, denn es war Winter. Bald würde er den Turmbrückenweg erreicht haben. Es war Nacht, über dem Horizont schien jedoch ein warmes rötliches Licht zu leuchten und der Himmel war voll von dicken Schneewolken. Die Welt war weiss und klar und überall klitzerten die Schneekristalle auf den Ästen der hohen Bäume. Es war still. So still. Als ob man durch Watte reiten würde. Selbst die Hufe des Mektoubs verursachten nur ein sanftes „wusch“ im Schnee.

Plötzlich durchfuhr diese Stille ein schrilles Kreischen. Der Homin auf dem Mektoub schrak zusammen, das Mektoub scheute und er landete unsanft im Schnee. Mitten aus dem Schlaf gerissen sah er sich panisch um, konnte jedoch nichts entdecken. Zu hören war ebenfalls nichts mehr. Das Mektoub hatte ein paar Meter weiter angehalten und holte sich gerade mit seinem Rüssel von einem Baum den Rest des vergangenen Jahres, ein paar übrig gebliebene grüne saftige Slavenimoosspitzen.

Er wollte gerade wieder aufsteigen, als er auf einmal leises Lachen hörte. Durch die Zweige der Bäume sah er Lichter und so ging er langsam vorwärts. Eine Lichtung lag vor ihm, eine Lichtung wie aus einem Traum. Drei Mädchen tanzten auf der Lichtung. Eine war schöner als die andere und die letzte einfach außergewöhnlich schön. Ihre Haut war ebenmäßig und ihre Augen strahlten wie Sterne. In ihren silbernen Haaren waren eingeflochten Blumen aus Eiskristallen und ihr Kleid schien aus reinstem Schnee zu bestehen.

Sandor, so hieß der Homin, ein bekannter Kaufmann aus Yrkanis, konnte seine Augen nicht mehr abwenden. Immer noch ein Stück weiter ging er auf sie zu, bis er ohne es zu merken, mitten auf der Lichtung stand. Ganz verzaubert waren seine Augen von der letzten und er meinte sein Herz auch. Gewohnt alles zu bekommen, was sein Herz begehrte, streckte er die Hand nach dem Mädchen aus und hielt sie fest. Diese sagte nichts, sah ihn nur still und fragend an. „Du wirst meine Frau.“ sagte er nur und war der Meinung, dies wäre genug. Er setzte sie auf sein Mektoub und ritt nun schnurstracks und munter auf Yrkanis zu, begierig darauf, sie seinen Bekannten und Freunden vorzustellen und mit diesem Stern an seiner Seite zu glänzen.

In Yrkanis angekommen ritt er direkt zur Bar, wohlwissend, dass dort um diese späte Zeit noch genügend Homins anwesend waren. Aufgeregt holte er alle Homins heran, um ihnen – wie er ankündigte – seine zukünftige Frau vorzustellen, das schönste, was eines Homins Auge je erblickt hatte. Und so stürmten alle zu seinem Mektoub und wollten das Wunder sehen. Er hatte das Mädchen in seinen Mantel gewickelt und hob sie nun vom Mektoub. Ein Blick aus ruhigen Augen traf ihn und sie flüsterte, so dass nur er es hören konnte: „Liebe, Liebe kann man nicht stehlen, nicht kaufen und nicht fordern. Sie ist nur da.“ Ehe er sich versah, hob sich vor seinen Augen ein schöner weißer Izam in den Nachthimmel, drehte noch einmal eine Runde über den Köpfen der Hominmenge und flog dann in die Nacht hinein. Sandor jedoch starrte nur den leeren Mantel in seiner Hand an.

Wenn Ihr also nachts im Winter Licht erspäht, wo keins sein sollte und Lachen vernehmt, wo nur die Natur laut sein müßte, nehmt Euch in Acht! Die Schneegeister könnten auch Euch den Kopf verdrehen.
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