EVENTS


Anlor Winn

Kurzgeschichte von Drakfot

Das groteske Gemälde

Jedes Jahr legt sich eine Zeit über Atys, die man Anlor Winn nennt. Es ist eine Zeit, in der das Land seltsam aufgerührt ist, in einer Mischung aus Freude und Lachen. Aber es lässt sich auch eine unterschwellige Angst erahnen. Es hat Gerüchte gegeben, nach denen die Kitin bestimmte Teile der Länder mieden, aus Gründen, die man am besten als Angst beschreiben könnte. Doch eine der seltsamen Eigenschaften eines Gerüchtes ist, dass es sich sowohl um überhaupt nichts als auch um die Wahrheit drehen kann. Was ich im Begriff bin, euch zu erzählen, ist eine Geschichte, die ich in einem alten Buch niedergeschrieben fand, während einer meiner Reisen durch die Landen der Grünen Anhöhen. Das Buch an sich war ziemlich alt, jedoch gibt das keinerlei Aufschluss über das Alter der Geschichte selbst.

Und ob es nun ein Gerücht oder die Wahrheit ist, das lasse ich euch entscheiden.

Liebe Homins, kennt ihr die Geschichte des grotesken Gemäldes?

Es fing alles am Tag vor Anlor Winn an, die Zeit, in der Homins mitten in den Vorbereitungen für das kommende Fest steckten. Jeder war darauf bedacht, eine möglichst schaurige Umgebung um sein Haus herum zu schaffen, einige arbeiteten an der Herstellung von Rüstungen, die wie verschiedene Kitin aussahen, in der Hoffnung, ihre Nachbarn zu erschrecken. Das alles für den Spaß an der Freude und um ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen.

Antionni Valini ging eine geschäftige Straße voller Verkäufer entlang, es waren sowohl ständige als auch neue Verkäufer, welche hofften, so viele Anlor Winn-Waren wie möglich zu verkaufen. Mit ihm zusammen waren seine zwei Kinder Nonne und Nirni - seine Tochter und sein Sohn - und auch Valena, seine geliebte Frau. Sie alle teilten die Anlor Winn-Stimmung, in dem Bewusstsein, dass es sowohl eine Zeit der Freude und der Erinnerung sein würde. Sie alle waren draußen, um verschiedene Gegenstände für die Feier zu kaufen.
Sie liefen zwischen den verschiedenen Verkäufern umher, schauten sich all die diversen Gegenstände an, die erhältlich waren, und kauften hier und da ein paar Sachen.

Aber als sie dabei waren, den Markt zu verlassen, trat ein etwas seltsamer Homin an sie heran, der vorgab, ein Maler zu sein und ihnen ein sehr besonderes Gemälde verkaufen wollte. Zuerst schauten sie sich skeptisch an, aber bald versicherte er ihnen, dass es eine prächtige Ergänzung für ihr Wohnzimmer sei, und als er ihnen das Gemälde zeigte, waren sie fast sofort überzeugt.
Das Gemälde selbst zeigte eine bezaubernde Szene, die nicht weit von den Virginia Wasserfällen entfernt zu sein schien. Es sah so beruhigend und entspannend aus, dass sie sich alle einig waren, dass es perfekt im Wohnzimmer über den Ofen passen würde.

Und so kauften sie es und nahmen es mit nach Hause. Und wie ihnen der Verkäufer gesagt hatte, war es tatsächlich wie dafür gemacht, um über dem Ofen zu hängen, da es beinahe dem ganzen Raum ein entspannendes Gefühl verlieh. Jeder der das Wohnzimmer betrat, fühlte sich gelassen. Danach machten sie mit den Vorbereitungen für die Festlichkeiten weiter. Stinga-Brot musste gebacken werden, ein furchteinflößender Cuttler an die Seite des Hauses gemalt werden, und so weiter. Es gab viele Dinge zu erledigen, und so verging der Tag ziemlich schnell, und bald fanden sie sich im Wohnzimmer wieder, jeder mit einer Tasse Stinga-Tee in der Hand, während sie das Gemälde bewunderten. Aber es wurde alsbald Zeit, ein bisschen Schlaf zu bekommen und so ging jeder in sein Zimmer, jeder zufrieden mit dem Tagewerk und begierig darauf, den abschließenden Vorbereitungen am Morgen zu begegnen.

Ein paar Stunden später wurde Antionni von seiner Frau geweckt, die ihm sagte, sie habe ein seltsames Geräusch unten im Wohnzimmer gehört, und ihn bat, nachzuschauen, ob nicht eine der Dekorationen umgefallen sei. Mit schläfrigen Augen ging er hinunter, schaute kurz in das Wohnzimmer und ging dann zurück zur Treppe. Er versicherte ihr, dass alles in Ordnung sei, und so schliefen sie bald wieder ein. Hätte er zu der Zeit nur etwas genauer hinter sich geblickt, wäre es vielleicht anders gekommen.

Der Morgen kam und sie alle wachten etwas später als normal auf, aber das war nicht unerwartet, immerhin hatten sie alle am Tag zuvor hart gearbeitet.
Als sie sich um den Küchentisch versammelten, riefen sie nach Nirni, erhielten aber keine Antwort. Und als sie in seinem Zimmer nachschauten, fanden sie dieses leer und mit einem gemachten Bett vor, was ungewöhnlich war. Vielleicht war er aber früh aufgestanden und war raus gegangen, um seine Freunde zu treffen, was während der Wochenenden nicht außergewöhnlich war, und so schenkte keiner diesem Umstand mehr Beachtung. Sie ließen ihm nur ein paar Scheiben Brot für später übrig, wenn er nach Hause zurückkehren würde. Da es der Tag von Anlor Winn war, galt es immer noch Vorbereitungen für den Nachmittag zu treffen und so fingen sie alle an, daran zu arbeiten, und die Zeit verging, bis der Abend vor der Tür stand. Und es gab immer noch kein Zeichen von Nirni, was selten war, und so fingen sie an, sich ein wenig Sorgen um seinen Verbleib zu machen.

Plötzlich hörten Antionni und Valena ihre Tochter aus dem Wohnzimmer kreischen, also eilten beide hinein und sahen sie auf das Gemälde zeigen.

"Er.. er... er ist da.." sagte sie mit ängstlicher Stimme, immer noch auf das Bild zeigend.

"Was meinst du, im Ofen?" fragte Antionni ein bisschen verwirrt.

"Nein. Nicht im Ofen, im Gemälde." sagte Nonne mit zittriger Stimme.

Als Antionni an ihr vorbei ging und das Gemälde anschaute, konnte er nicht glauben, was er sah. Das Gemälde hatte sich verändert, von dem beruhigenden Bild der Virginia Wasserfälle zu.. ihrem Wohnzimmer! Und Nirni saß auf dem Sofa!

"Was.." war das einzige Wort, das er hervorbringen konnte, als er das veränderte Gemälde betrachtete.

Plötzlich hörten sie im ersten Stock eine Tür zuschlagen, und sie gingen alle nach oben, aber die einzige Tür, die geschlossen war, war die zu Nirnis Zimmer. Und als sie sie öffneten, schien alles wie zuvor zu sein, außer, dass das Bett jetzt unordentlich war.

"Was geht hier vor?" fragte Valena Antionni. "Ich weiß es nicht, vielleicht ist es ein schlechter Scherz von unserem Sohn?" antwortete er. "Falls ja, ist es wirklich geschmacklos" sagte Valena.

"Mami, ich habe Angst", sagte Nonne, und Valena versuchte sie zu beruhigen. "Lass uns raus gehen und sehen, ob wir deinen Bruder finden und diesen Schlamassel in Ordnung bringen können", sagte sie mit einer möglichst gelassenen Stimme.

"Ihr zwei schaut draußen nach und wenn ihr schon da seid, könnte ihr noch ein paar Lichter auf der Veranda aufbauen. Ich werde drinnen nach dem Bengel schauen." sagte Antionni und begann zwischen den Zimmern im ersten Stock hin und her zu wandern, als sie das Haus verließen. Es dauerte nicht lange, bis er seine Frau schreien hörte, und er stürmte hinunter, um sie schließlich, mit Blutflecken bedeckt, in der Tür vorzufinden.

"Es.. es .. ES HAT SIE WEGGENOMMEN, ES HAT UNSERE TOCHTER WEGGENOMMEN!" schrie sie auf, ergriff seine Hand und zerrte ihn nach draußen. "Was? Was hat unsere Tochter weggenommen, was meinst du?" fragte er sie.

"DAS" sagte sie und zeigte auf den Cuttler, den sie zuvor auf das Haus gemalt hatten. Für eine Sekunde dachte Antionni, dass die ganze Familie ihm einen Streich spielte, aber als er den Cuttler näher betrachtete, sah er, dass auch dieser mit Blutflecken bedeckt war. Und zwischen seinen Zähnen hing ein richtiger Fetzen, zwischen den Brettern festgesteckt, und es war aus demselben Stoff, aus dem Nonnes Kleid gemacht war.

"Was im Namen Jenas ist das.." murmelte Antionni vor sich hin, bevor ihn der nächste Schrei erreichte. Es war schon wieder seine Frau, dieses Mal aus dem Inneren des Hauses. Er hatte nicht mitbekommen, dass sie verschwunden war, und so rannte er zurück nach drinnen, nur um zu sehen, wie sie das Bild zerkratzte, während sie verblasste. Er brüllte und versuchte sie zu ergreifen, aber seine Hände gingen durch sie hindurch, als wäre sie Luft. Und einfach so war sie verschwunden, nirgendwo im Zimmer zu finden.

"Werde ich verrückt? Was ist hier los?" dachte Antionni zu sich selbst, als er das Gemälde betrachtete. Valena hatte es geschafft, es ein bisschen auseinanderzureißen, aber es schien noch ziemlich unbeschädigt zu sein. Erst als Antionni ein Stück der Leinwand anhob, neben dem Stück, wo Nirni saß, sah er, warum seine Frau geschrien hatte: Nonne saß jetzt neben Nirni.

"Aber wie.. warum? Wer? Was?". Die Fragen begannen sich in seinem Kopf anzusammeln. War das immer noch ein Scherz? Oder war es echt? Dann erinnerte er sich an den Verkäufer, der ihm das Gemälde verkauft hatte, und er dachte, dass dieser ihm vielleicht ein paar Antworten dazu geben konnte, was hier vor sich ging. Hoffentlich würde er ihn irgendwo in der Nähe des Marktplatzes finden.

Antionni ging, um die Tür zu öffnen, aber sie gab nicht nach. Egal, wie viel Druck er auf sie ausübte, sie bewegte sich keinen Zoll. Selbst ein starker Tritt überzeugte sie nicht, sich zu ändern. Nicht mal das Glas in den Fenstern gab seinen Schlägen und Tritten nach. Es war, als wollte ihn das Haus plötzlich nicht mehr gehen lassen. Schließlich ereilte ihn eine Erschöpfung und er ging zurück ins Wohnzimmer, nur um zu sehen, dass das Gemälde jetzt wieder ganz war!

Und hinter seinen Kindern stand Valena! Waren sie alle in das Gemälde verschwunden? War das ein schlechter Witz? Er wusste es nicht. All diese Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum, als er sich auf das Sofa setzte und das Gemälde betrachtete. Dann wurde alles schwarz.

Ein paar Tage später klopften einige Freunde an die Tür, da sie sich um sie sorgten. Sie hatten sie weder während Anlor Winn gesehen, noch in den folgenden Tagen. Also hatten sie sich dazu entschieden, nach ihnen zu sehen.

Nach dem dritten Klopfen öffnete sich die Tür und sie konnten hereinsehen. Sie riefen ihre Namen, aber bekamen keine Antwort, und so gingen sie rein, um sich umzuschauen. Alles war in Ordnung, nichts war angerührt. Es war, als ob in den letzten paar Tagen überhaupt niemand in dem Haus gewesen war. Sie fragten sich, wohin sie wohl gegangen waren; vielleicht waren sie Freunde besuchen, die weit weg wohnten, ohne es zu erwähnen?

Was sie nicht bemerkten, war, dass eine Sache aus dem Haus fehlte; das Gemälde über dem Wohnzimmerofen.

Dies ist die Geschichte des grotesken Gemäldes.
Zeige Thema
Last visit Mittwoch 27 November 10:34:25 UTC
P_:G_:PLAYER

powered by ryzom-api